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Martius-Pharmakognosie-Sammlung:
„Getreidekörner
und Mutterkorn“
Ort: Institut für Pharmazie und
Lebensmittelchemie, Schuhstraße 19
In der Martius-Sammlung
finden wir zahlreiche Sorten gut erhaltener Samen von Nutzgräsern aus den
Gattungen Roggen (Secale cereale),
Weizen, Gerste und Hafer (Herkunfts- u.
Domestikationsgebiet Naher- u. Mittlerer-Osten), aus
der Gattung Reis (China u. S-O-Asien), Hirse
(Asien u. Afrika) und Mais (Mittel-Amerika).
Nach wie vor liefern diese Getreide
den größten Anteil bei der weltweiten Nahrungserzeugung. Das Gras-Samenkorn
enthält den ölreichen Embryo, dem ein großes stärkehaltiges Nährgewebe anliegt.
Heute produzieren besondere Getreide-Sorten auch Stärken für spezielle
technische Verfahren.
Die Backfähigkeit von
Getreide-Stärken bzw. Mehlen hängt ab vom Vorhandensein klebriger Proteine, dem
Kleber-Eiweiss mit dem „Gluten“. Gluten
kann in seltenen Fällen eine schon im Kleinkindalter manifeste und chronische
Unverdaulichkeit zeigen mit den Kennzeichen der „Zöliakie“,
die dann eine aufwendige glutenfreie Ernährung notwendig macht.
Die einfach gebaute Gras-Blüte hat
schützende Hüllblätter, die bei der Reife zum ‚Spelz’ werden. Beim
Reis sind dort die Elemente Si und C in einem so idealen Verhältnis gegeben,
dass beim Verkoken dieses Abfallproduktes hochtemperaturbeständige Kristalle
aus Siliziumkarbid entstehen können, die zur Verstärkung von wertvollen
Metallen dienen.
Schon immer waren die Getreide wie
auch ihre Vorfahren, die Wildgräser, anfällig gegen parasitierende
Pilze, wie Claviceps purpurea,
deren Sporen im Boden vorkommen und die sich bei geeigneten
Wetterverhältnissen im heranwachsenden Getreidekorn einnisten und dort zu den
braun-schwarzen Mutter-Körnern (Secale cornutum) heranwachsen. Im Mutterkorn, dem Dauermycel des Pilzes, werden stark wirkende Alkaloide mit
dem tetrazyklischen Grundgerüst des Ergolins
gebildet. Früher im Mittelalter führte deren Mitvermahlung im Mehl zu
gefürchteten Vergiftungsepedemien, dem „ignis sacer“, dem
„Antonius-Feuer“. Heute werden Mutterkorn-Inhaltstoffe, die Clavin-Alkaloide und die Lysergsäure-Derivate,
als unverzichtbare Arzneien genutzt wegen ihrer Gefäß- und
Uterus-kontrahierenden und wegen ihrer sympatholytischen
Wirksamkeit, so zur Einleitung eines Geburtsvorganges ebenso wie in der
Migränetherapie.
Zur Martius-Sammlung:
Vor mehr als 200 Jahren begann der
Erlanger Hofapotheker Ernst Wilhelm Martius (1756-1849), Dr.h.c.mult.,
seit 1818 der erste Dozent für Pharmazie an der
Friedrich-Alexander-Universität, mit der Sammlung natürlicher Rohstoffe aus
aller Welt, die als Ausgangsmaterial für Arzneien, Nahrungsmittel und
Bedarfsgegenstände galten; in getrockneter, haltbarer Form waren dies
„Drogen“.
Von seinen beiden Söhnen vermehrte
die Sammlung mit großem Eifer besonders der jüngere, Theodor Wilhelm Christian Martius (1796-1863),
promoviert an unserer Universität und als Apotheker Nachfolger seines Vaters in
der Hofapotheke. Auch er wurde Dozent und war ab 1848 Professor für Pharmazie
und Pharmakognosie („Drogenkunde“). Die Studenten experimentierten
in seinem Apotheken-Labor, das er der Universität zur Verfügung stellte.
Sein älterer Bruder, Carl Friedrich Phillipp
von Martius, (1794-1868), Dr.med., trug auch zur
Sammlung bei, besonders da er als Professor der Botanik in München und
bekannter Naturforscher im Auftrage des Königs auf große Exkursion nach
Brasilien fahren konnte.
Die „pharmakognostisch-pharmazeutisch-technische
Sammlung des Dr. Theod. Wilh.
Christ. Martius“ wurde 1847 in einem
„numerischen Verzeichnis“ erfasst; sie wurde 1862 von der
Universität erworben und war dann für lange Zeit vergessen und verstreut
aufbewahrt in verschiedenen Instituten um den Schlossgarten.
Heute ist die Martius-Sammlung
ideal im Dachgeschoss des Instituts für Pharmazie und Lebensmittelchemie
untergebracht; ein Seminarraum nebenan ermöglicht die ausführlichere
Besprechung ausgewählter Drogen. Die Sammlung enthält nahezu vollständig die im
19. Jahrhundert bekannten Arzneidrogen und ermöglicht somit einen besonderen
Blick in das naturwissenschaftliche Verständnis dieser ereignisreichen,
bedeutenden Zeit.
Die Martius-Sammlung und ihre Geschichte
Stand: 27. Oktober 2005,
ergänzt am 26. Dezember 2007/10.11.2008
(Foto)
Foto: Prof. Dr. Karl Knobloch