Vortrag am 3. Juli 2003 im Collegium Alexandrinum

 

Das Bild der Juden im Koran und der Nahostkonflikt

 

Prof. Dr. Hartmut Bobzin

 

Professur für Islamwissenschaft 

Universität Erlangen-Nürnberg 

Bismarckstraße

91054 Erlangen 


 

Im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, werden die Juden neben den Christen als sog. „Buchbesitzer“ bezeichnet, d.h. als Gemeinschaften, die über ein von Gott offenbartes Buch verfügen. Aber im Laufe der Zeit wurde die Botschaft dieses Buches von Juden und Christen so verfälscht, daß Gott erneut den unverfälschten Text offenbarte, und zwar an den Araber Mohammed (ca. 570-632 n. Chr.). Parallel zu diesem Gedanken einer Zweitrangigkeit der jüdischen und christlichen Offenbarungsschriften findet sich im Koran die Auffassung, daß die Muslime als Anhänger der ursprünglichen, unverfälschten monotheistischen Religion zugleich „Erben“ der Juden und Christen sind, -auch ihres „Landes“. An zahlreichen Stellen im Koran finden sich Auseinandersetzungen und Diskussionen mit Christen und Juden. Dabei werden die Juden negativer gezeichnet als die Christen. Viele dieser Stellen scheinen sich auch auf kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Juden und Anhängern Mohammeds zu beziehen. Darüber berichten andere Texte, welche die Biographie Mohammeds erzählen, genauer. Wie zuverlässig diese Texte sind, d.h. ob sie sich auf reale Begebenheiten stützen, ist in der Forschung sehr umstritten.

Ebenso wie den Christen wurde auch den Juden vom islamischen Recht der Status einer geschützten Minderheit zugestanden. Was speziell die Juden betraf, so spielten jahrhundertelang die negativen Aussagen des Korans im Alltagsleben zwischen Muslimen und Juden deshalb keine Rolle, weil diese Aussagen nicht verallgemeinert und losgelöst von ihrem historischen Bezugsrahmen interpretiert wurden. Das änderte sich jedoch in den letzten fünfzig Jahren. Einerseits war im Islam selbst ein fundamentalistisches, weitgehend ahistorisches Textverständnis aufgekommen, vor allem in Kreisen, die den Muslimbrüdern nahestanden. Zum anderen hatte sich mit der Existenz des Staates Israel der Status der Juden geändert. Eine Neuinterpretation der negativen Aussagen über die Juden im Koran gedieh vor allen bei solchen Gruppen, die ihren Widerstand gegen Israel religiös zu begründen suchten. Das Bild der Juden im Koran kann als paradigmatisches Beispiel dafür angesehen werden, wie notwendig gerade heute eine historisch-kritische Interpretation des Korans ist, um diesen heiligen Text vor politischem Mißbrauch zu schützen.

 

 

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