Vortrag
am 30. April 2003 im Collegium Alexandrinum
Die
gute Policey in Franken. Gesellschaftliche
Reglementierung in der Frühmoderne
Prof.
Dr. Wolfgang Wüst
Lehrstuhlinhaber
für Bayerische
und Fränkische Landesgeschichte
Universität
Erlangen-Nürnberg
Kochstraße
4
91054
Erlangen
Der
Vortrag soll mit Beispielen aus über dreißig Territorien eines in der zentralen
Gesetzgebung sehr aktiven Reichskreises typische und bisweilen auch untypische
Kennzeichen frühmoderner "Ordnungspolitik" veranschaulichen und
interpretieren. Diese wird für eine Zeit untersucht, der als
"Sattelzeit" der Moderne eine kaum zu überschätzende Weichenstellung
zufiel, nach der sich Rechte und Pflichten, öffentliche und kirchliche Ordnung,
sozialer Friede, Ehre, Glückseligkeit und Wohlstand zum Teil bis heute
ableiten. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in den ihm
zugeordneten zehn Reichskreisen - dabei bestimmt der Fränkische Reichskreis die
regionalen Schwerpunkte - setzten sowohl die Kaiser selbst als auch die
legislativen Reichsorgane, allen voran die Reichstage, auf eine bereits im 16.
Jahrhundert weitgehend ausgereifte neue Form zur Vermittlung allgemeiner Normen
und Wertmaßstäbe. Die zentralen Fragen lauten freilich, wie und seit wann sie
umschrieben werden können und ob sie sich regional unterschiedlich entwickelten
und verbreiteten. Ihre Herkunft ist nur unpräzise datierbar. In Anlehnung an
die Reichsreformdiskussion des 15. Jahrhunderts, an Postulate aus der
Reformationszeit und der Zeit der Bauernkriege sowie an ältere, durchaus schon
breiter angelegte Gesetze des Mittelalters - Dorf- und Stadtordnungen, Weistümer, Gerichtsstatuten - formierte sich ein Regelwerk,
das als frühmoderne "Policey" eine neue
Gesetzesdimension schuf. Es wird erörtert, wie die Reichsgesetzgebung auf die
Statuten territorialer und städtischer Policey
für Franken wirkte. Spannend wird zudem der grenzüberschreitende Vergleich
normativer Herrschaftsinstrumente entwickelt, der Aussagen zu dem noch wenig
erforschten Kommunikationssystem von Kanzlei zu Kanzlei zulässt. Regionale und überregionale Merkmale werden
unter Einschluss zahlreicher Reichs- und
Landstände wie dem Reichskreis selbst, den beiden Markgraftümern
der Hohenzollern, Sachsen-Coburg, den Reichsstädten Nürnberg, Rothenburg,
Schweinfurt und Dinkelsbühl, den Fürstbistümern
Bamberg, Würzburg - letzteres stand auch in Personalunion mit Kurmainz - und Eichstätt, dem Domkapitel Würzburg, den
Klöstern Münsterschwarzach und St. Clara
(Bamberg) oder einer Schar kleinerer Adelsherrschaften (Egloffstein,
Ostheim, Schönborn, Thüngen, Zobel) vor dem Hintergrund europäischer
Kulturgeschichte betrachtet. Die Transparenz des frühmodernen Normen- und
Ordnungsgefüges kann so an unterschiedlichen Typen der Territorialität - groß
und klein, weltlich und geistlich, städtisch und ländlich - überprüft werden.
Der Vergleich legt schließlich supraterritoriale
Tendenzen offen, die einen Wissenstransfer über die engen Grenzen im Fränkischen
Reichskreis von Land zu Land voraussetzen.
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