Collegium Alexandrinum |
im Sommersemester 2003
(soweit vorhanden)
Vortrag am 10. April 2003 im Collegium Alexandrinum
Judentum und Antisemitismus im Neuen Testament
Prof. Dr. Peter Pilhofer
Lehrstuhlinhaber für
Neues Testament I (Neutestamentliche Theologie)
Universität Erlangen-Nürnberg
Kochstr. 6
91054 Erlangen
Der Begriff "Antisemitismus" hat sich eingebürgert
und wird sich schwerlich wieder "ausbürgern" lassen. Er stammt aus
der Debatte am Ende des 19. Jahrhunderts und ist daher für antike
Verhältnisse nicht ohne weiteres verwendbar. Sinnvoller spricht man
von "Antijudaismus". Schon in der Antike gab es solchen Antijudaismus.
Es handelt sich also um eine Erscheinung, die unabhängig vom Neuen
Testament ist und längst verbreitet war, bevor der erste neutestamentliche
Autor zur Feder gegriffen hat. Im ersten Teil des Vortrags sollen solche
antiken Auffassungen skizziert werden, die man "antijüdisch" nennen
kann.
Im zweiten Teil des Vortrags wird die
Frage erörtert, ob solcher Antijudaismus auch im Neuen Testament anzutreffen
ist. Die Lage ist hier anders als sonst in der Antike, da die Autoren der
neutestamentlichen Schriften selbst Juden waren. Es handelt sich also um
innerjüdische Polemik, vergleichbar heute etwa dem amerikanischen
"Antiamerikanismus".
(Eine führende griechische Zeitung
hat unlängst die Politik des Präsidenten der Vereinigten Staaten
als "antiamerikanisch" bezeichnet.) Paulus etwa - unser ältester Gewährsmann
- nimmt Motive des heidnischen Antijudaismus auf und verbreitet sie im
christlichen Rahmen weiter. Auch das Matthäusevangelium und das Johannesevangelium
sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Die gute Policey in Franken. Gesellschaftliche Reglementierung in der Frühmoderne
Prof. Dr. Wolfgang Wüst
Lehrstuhlinhaber für
Bayerische und Fränkische Landesgeschichte
Universität Erlangen-Nürnberg
Kochstraße 4
91054 Erlangen
Der Vortrag soll mit Beispielen aus über dreißig Territorien eines in der zentralen Gesetzgebung sehr aktiven Reichskreises typische und bisweilen auch untypische Kennzeichen frühmoderner "Ordnungspolitik" veranschaulichen und interpretieren. Diese wird für eine Zeit untersucht, der als "Sattelzeit" der Moderne eine kaum zu überschätzende Weichenstellung zufiel, nach der sich Rechte und Pflichten, öffentliche und kirchliche Ordnung, sozialer Friede, Ehre, Glückseligkeit und Wohlstand zum Teil bis heute ableiten. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in den ihm zugeordneten zehn Reichskreisen - dabei bestimmt der Fränkische Reichskreis die regionalen Schwerpunkte - setzten sowohl die Kaiser selbst als auch die legislativen Reichsorgane, allen voran die Reichstage, auf eine bereits im 16. Jahrhundert weitgehend ausgereifte neue Form zur Vermittlung allgemeiner Normen und Wertmaßstäbe. Die zentralen Fragen lauten freilich, wie und seit wann sie umschrieben werden können und ob sie sich regional unterschiedlich entwickelten und verbreiteten. Ihre Herkunft ist nur unpräzise datierbar. In Anlehnung an die Reichsreformdiskussion des 15. Jahrhunderts, an Postulate aus der Reformationszeit und der Zeit der Bauernkriege sowie an ältere, durchaus schon breiter angelegte Gesetze des Mittelalters - Dorf- und Stadtordnungen, Weistümer, Gerichtsstatuten - formierte sich ein Regelwerk, das als frühmoderne "Policey" eine neue Gesetzesdimension schuf. Es wird erörtert, wie die Reichsgesetzgebung auf die Statuten territorialer und städtischer Policey für Franken wirkte. Spannend wird zudem der grenzüberschreitende Vergleich normativer Herrschaftsinstrumente entwickelt, der Aussagen zu dem noch wenig erforschten Kommunikationssystem von Kanzlei zu Kanzlei zulässt. Regionale und überregionale Merkmale werden unter Einschluss zahlreicher Reichs- und Landstände wie dem Reichskreis selbst, den beiden Markgraftümern der Hohenzollern, Sachsen-Coburg, den Reichsstädten Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt und Dinkelsbühl, den Fürstbistümern Bamberg, Würzburg - letzteres stand auch in Personalunion mit Kurmainz - und Eichstätt, dem Domkapitel Würzburg, den Klöstern Münsterschwarzach und St. Clara (Bamberg) oder einer Schar kleinerer Adelsherrschaften (Egloffstein, Ostheim, Schönborn, Thüngen, Zobel) vor dem Hintergrund europäischer Kulturgeschichte betrachtet. Die Transparenz des frühmodernen Normen- und Ordnungsgefüges kann so an unterschiedlichen Typen der Territorialität - groß und klein, weltlich und geistlich, städtisch und ländlich - überprüft werden. Der Vergleich legt schließlich upraterritoriale Tendenzen offen, die einen Wissenstransfer über die engen Grenzen im Fränkischen Reichskreis von Land zu Land voraussetzen.
Die Gen-Waage - Diagnostik von Krankheiten im Flug
PD Dr. Andreas Humeny
Institut für Biochemie
Emil-Fischer-Zentrum
Lehrstuhl für Biochemie
und Molekulare Medizin
Universität Erlangen-Nürnberg
Fahrstr. 17
91054 Erlangen
Sowohl die Individualität des Menschen als auch sein Krankheitsrisiko werden durch zahlreiche Umweltfaktoren und die jeweilige Gen-Ausstattung bestimmt. Basierend auf den veröffentlichten Daten des Humanen Genomprojekts (HUGO) und bioinformatischer Ansätze rücken die genetischen Unterschiede zwischen den Menschen verstärkt in den Blickpunkt der Grundlagenforschung und klinisch-diagnostischen Applikation. Die wichtigste Klasse der genetischen Heterogenitäten sind die Einzelbasenaustausche (singlenucleotidepolymorphisms, SNPs), die 90% der genetischen Heterogenitäten des Menschen darstellen. SNPs können in der klinischen Diagnostik genutzt werden, da sie oftmals Risikoallele für Krankheiten darstellen. Voraussichtlich werden SNPs in der Pharmakogenomik zukünftig eine wichtige Rolle in der individuellen Art und Dosierung der Medikation in Abhängigkeit vom Genotyp des Patienten spielen. Diese Anwendungen setzen aber eine DNA-Analytik voraus, die eine reproduzierbare, sichere, aber auch automatisierte und daher kostengünstige Genotypisierung im Hochdurchsatz ermöglicht. Die verschiedenen Genvarianten können durch den Einsatz der Matrix-unterstützten Laser Desorptions/Ionisations Flugzeit Massenspektrometrie (Matrix - assistedlaserdesorption/ ionizationtime - of - flightmassspectrometry, MALDI-TOF-MS) als Gen-Waage analysiert werden. Aufgrund ihrer hohen Genauigkeit, Auflösung und Sensitivität insbesondere stellt die MALDI-TOF-MS eine integrative Plattformtechnologie der Molekularen Medizin und Bioanalytik im Hochdurchsatz dar.
Chemie, die uns nachdenken läßt – Signalübertragung an Synapsen – Synthese von Neurotransmittern
PD Dr. Hans-Georg Breitinger
Institut für Biochemie
Emil-Fischer-Zentrum
Lehrstuhl für Biochemie
und Molekulare Medizin
Universität Erlangen-Nürnberg
Fahrstr. 17
91054 Erlangen
Signalübertragung im Nervensystem
erfordert eine feinabgestimmte Zusammenarbeit von Proteinen, Molekülen
und Ionen. Die Erzeugung eines elektrischen Nervensignals, sowie die Übertragung
und Verarbeitung dieses Signals an chemischen Synapsen wird vorgestellt.
Höhere Leistungen des Nervensystems werden an einigen Beispielen (Drogen,
Gaseinsatz Moskau, der Fall Phineas Gage) demonstriert.
Das menschliche Nervensystem besteht aus
ca. 10(12) Neuronen, die miteinander kommunizieren. Die Signalweiterleitung
innerhalb einer Nervenzelle, wie auch die Reizübertragung von Zelle
zu Zelle erfordern ein geregeltes Zusammenspiel einer Vielzahl zellulärer
Proteine. Mittels verschiedener Transporter und Pumpen erzeugt jede Zelle
ein typisches Konzentrationsmuster an Ionen, das zu einem elektrischen
Potential eines Neurons von ca. -70 mV gegenüber dem Extrazellulärraum
führt.
Ionenkanäle vermitteln eine kurzfristige
Steigerung der Membranleitfähigkeit für einzelne Ionen, was zu
einer Potentialänderung, und damit zu einem elektrischen Reiz innerhalb
des Neurons führt. Ionenkanäle werden entweder durch eine Potentialänderung
an der Zellmembran aktiviert (spannungsgesteuert), oder öffnen sich
nach Bindung eines spezifischen Neurotransmitters (ligandengesteuert).
Im Gegensatz zur gut charakterisierten Funktion der Ionenkanäle sind
die Proteinstrukturen, die die transiente Öffnung eines Kanals durch
die Zellmembran vermitteln, bisher nur in grobem Umriss, nicht aber im
atomaren Detail bekannt.
Bei einigen Neuronen führt ein häufig
wiederholter Reiz zu einer verstärkten Antwort. Dieser Prozess ist
als Langzeitpotenzierung
bekannt, und bildet eine der molekularen
Grundlagen des Lernens. Die Signalverarbeitung innerhalb des Nervensystems
kann außerdem durch Verschaltung verschiedener Neurone gesteuert
werden. Neben der detaillierten Untersuchung der Funktion einzelner Proteine,
Zellen und Zellgruppen ist auch der Einfluss von Drogen, Nervengasen und
Verletzungen auf höhere Funktionen des Nervensystems Gegenstand der
aktuellen Forschung.
Historische Überlegungen zur Entstehung des Judentums
Prof. Dr. Gunther Wanke
Professur für Altes
Testament
Universität Erlangen-Nürnberg
Kochstraße 6
91054 Erlangen
Vor dem Hintergrund der die Existenz des alten Israel bestimmenden Institutionen, nämlich Staat, davidische Dynastie, Stadt und Tempel von Jerusalem, werden die Veränderungen beschrieben, die sich in der religiösen Einstellung und im theologischen Denken im Zusammenhang mit dem babylonischen Exil bei den judäischen Israeliten vollzogen haben. Der Verlust dieser identitätsstiftenden Institutionen führte zu einer Neuorientierung Israels während der Exilszeit. Die Ausrichtung an bewährten, vor allem prophetischen und normativen Überlieferungen, die Deutung der Vergangenheit als Mahnung für die Zukunft und das damit verbundene veränderte Gottesbild (Monotheismus) sowie die gesteigerte Bedeutung von kultunabhängigen Riten wie Sabbat und Beschneidung trugen nicht nur zur Bewältigung der mit dem Untergang des Tempels und der davidischen Herrschaft verbundenen Krise bei, sondern bildeten neue identitätsstiftende Faktoren, die zur Grundlage des aus dem alten Israel entstehenden Judentums wurden.
Medienwandel durch Kulturtransfer. Die Einführung des arabischen Buchdrucks in den Vorderen Orient
PD Dr. Dagmar Glaß
Institut für Außereuropäische
Sprachen und Kulturen
Lehrstuhl für Orientalische
Philologie
Universität Erlangen-Nürnberg
Bismarckstr. 1
91054 Erlangen
Kaum mehr überschaubar sind heute
die Dokumentationen zum Ruhme der Erfindung Gutenbergs und dessen Auswirkungen
auf die europäischen Schriftkulturen. In der Mitte des 15. Jahrhunderts
erstmals praktiziert und in der Folge perfektioniert, verbreitete sich
seine Technik des Druckens mit seriell hergestellten Lettern aus Metall
in Europa mit erstaunlicher Geschwindigkeit - hier der Reformation ebenso
den Weg ebnend wie den modernen Naturwissenschaften, der Entwicklung des
Deutschen zu einer Nationalsprache und der Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus.
Was aber vermochte die Gutenbergsche Drucktechnik
im Hinblick auf die traditionsreiche arabische Schriftkultur des Vorderen
Orients und Nordafrikas zu leisten? Was haben z.B. jüdische Drucker,
die sich ab Ende des 15. Jahrhunderts in Konstantinopel, in Marokko oder,
später, in Ägypten niederließen, mit der Verbreitung des
arabischen Typendrucks zu tun? Wie wirkten europäische Schriftschneider
oder Autoritäten des orientalischen Christentums in Libanon und Syrien
darauf ein? Wozu bedurfte es der „Druckerlaubnis“ des osmanischen Sultans?
Anders ausgedrückt: Auf welche Weise vollzog sich der Wechsel vom
arabischen Manuskript zum Buchdruck im Vorderen Orient und Nordafrika?
Wie und durch wen wurde der arabische Typendruck dort gefördert (bzw.
gehemmt)? Diese und verwandte Fragen bilden die Schwerpunkte des Vortrages.
Das Bild der Juden im Koran und der Nahostkonflikt
Prof. Dr. Hartmut Bobzin
Professur für Islamwissenschaft
Universität Erlangen-Nürnberg
Bismarckstraße
91054 Erlangen
Im Koran, dem heiligen Buch der Muslime,
werden die Juden neben den Christen als sog. „Buchbesitzer“ bezeichnet,
d.h. als Gemeinschaften, die über ein von Gott offenbartes Buch verfügen.
Aber im Laufe der Zeit wurde die Botschaft dieses Buches von Juden und
Christen so verfälscht, daß Gott erneut den unverfälschten
Text offenbarte, und zwar an den Araber Mohammed (ca. 570-632 n. Chr.).
Parallel zu diesem Gedanken einer Zweitrangigkeit
der jüdischen und christlichen Offenbarungsschriften findet sich im
Koran die Auffassung, daß die Muslime als Anhänger der ursprünglichen,
unverfälschten monotheistischen Religion zugleich „Erben“ der Juden
und Christen sind, -auch ihres „Landes“. An zahlreichen Stellen im Koran
finden sich Auseinandersetzungen und Diskussionen mit Christen und Juden.
Dabei werden die Juden negativer gezeichnet als die Christen. Viele dieser
Stellen scheinen sich auch auf kriegerische Auseinandersetzungen zwischen
Juden und Anhängern Mohammeds zu beziehen. Darüber berichten
andere Texte, welche die Biographie Mohammeds erzählen, genauer. Wie
zuverlässig diese Texte sind, d.h. ob sie sich auf reale Begebenheiten
stützen, ist in der Forschung sehr umstritten.
Ebenso wie den Christen wurde auch den
Juden vom islamischen Recht der Status einer geschützten Minderheit
zugestanden. Was speziell die Juden betraf, so spielten jahrhundertelang
die negativen Aussagen des Korans im Alltagsleben zwischen Muslimen und
Juden deshalb keine Rolle, weil diese Aussagen nicht verallgemeinert und
losgelöst von ihrem historischen Bezugsrahmen interpretiert wurden.
Das änderte sich jedoch in den letzten fünfzig Jahren. Einerseits
war im Islam selbst ein fundamentalistisches, weitgehend ahistorisches
Textverständnis aufgekommen, vor allem in Kreisen, die den Muslimbrüdern
nahestanden. Zum anderen hatte sich mit der Existenz des Staates Israel
der Status der Juden geändert. Eine Neuinterpretation der negativen
Aussagen über die Juden im Koran gedieh vor allen bei solchen Gruppen,
die ihren Widerstand gegen Israel religiös zu begründen suchten.
Das Bild der Juden im Koran kann als paradigmatisches Beispiel dafür
angesehen werden, wie notwendig gerade heute eine historisch-kritische
Interpretation des Korans ist, um diesen heiligen Text vor politischem
Mißbrauch zu schützen.
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