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der Universität Erlangen-Nürnberg Wissenschaft für die
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Sommersemester
2005: Themenschwerpunkt: „Stadt und
Stadtentwicklung“
Theologe, Dipl.-Psychologe
Erlangen
In neuerer Zeit, in der die Bewohner der Städte die
Bewohner des Landes an Zahl übertreffen, hat sich die Stadt, zumal die große
Stadt, als eine ungeahnte Herausforderung herausgestellt: Denn längst hat sie
sich bis in die letzten Winkel des Landes hinein auf vielen Gebieten zu einem
Katalysator weiterentwickelt – sei es im Blick auf den Technologiebereich
oder den Lebensstil, die Verkehrsanbindung oder den Medienkonsum. Die
„Stadt“ ist – oftmals mehr als wir ahnen oder als es uns lieb
ist – zu einem Leitbild, die „Verstädterung“ zu einem Element
im Lebensgefühl vieler Menschen in der Moderne geworden, und die Städte haben
allenthalben in der Welt einen unaufhaltsamen Sog nach sich gezogen. Dieser
– ebenso schleichende wie spürbare - Prozess
hat uns ohne Zweifel eine Vielfalt von Vorzügen und Privilegien beschert
– einen relativ offenen Zugang zu Bildung und Kultur, zu medizinischer
Versorgung und verbesserter Lebensqualität und vieles andere mehr. Zur gleichen
Zeit haben die Entstehung und Vernetzung der Metropolen freilich auch eine
Reihe von Schattenseiten und Konfliktfeldern mit sich gebracht: das Anwachsen
von Kriminalität beispielsweise und Verkehrsproblemen, die Auflösung von
elementaren Bindungen und die Vereinsamung des alten (und nicht nur des alten)
Menschen. So gesehen ist die Stadt, zumal die große Stadt, längst schon zu
einem Schrittmacher der Zivilisation wie auch zu einem Symbol für die
Schattierungen des menschlichen Lebens geworden.
Auf
diesem Hintergrund stellt sich eine Fülle
von Fragen und Herausforderungen für die nahe bis mittlere Zukunft:
· Welche Prozesse und
Parameter beeinflussen und steuern im Grunde die Weiterentwicklung der urbanen
und urbanisierten Gesellschaften?
· Aus
welchen Ressourcen (Geschichte, Selbstbild, geographische Lage und
dergleichen) bezieht die urbane Gesellschaft überhaupt ihr Potential an
schöpferischer Kraft, öffentlicher Verantwortung und Vision von Zukunft?
· Welchen spezifischen Beitrag können
dabei einzelne Gruppierungen, Institutionen und Organisationen leisten,
damit es zu einem gedeihlichen Zusammenspiel und zur Entstehung von humanen
Spielräumen, eigenen Identifikationen und heimatlichen „Orten“ (F.
Krüger) in der Stadt kommt?
Die Kirchen – um hier eines von vielen Beispielen aufzugreifen
– leisten mindestens in dreifacher Hinsicht einen eigenen Beitrag zur
Humanisierung der Stadt und des Urbanisierungsprozesses:
· Zum einen schlichtweg durch ihr äußeres
Erscheinungsbild und ihre ästhetische Existenz. Kann man sich Köln oder
Mainz ohne ihre Dome, Freiburg oder Regensburg ohne ihre Münster, Nürnberg oder
Hamburg ohne ihre Hauptkirchen vorstellen? Schon ihre Silhouetten allein sind
Ausdrucksformen für Kontinuität und geschichtliche Verankerung, Bürgerstolz und
Wiedererkennbarkeit, kurzum Symbole einer
unersetzbaren Identität und „Hintergrundgewissheit“
(W. Huber).
· Zum anderen besteht der Beitrag der
Kirchen zur Humanisierung der Stadt in der Bereitstellung einer Vielzahl von
sozialdiakonischen und karitativen Aktivitäten wie zum Beispiel
einer vielseitigen Beratungspraxis und Sozialarbeit, Pflegediensten und
Kliniken, Hospizen und Kindergärten, Telefonseelsorge, Erwachsenenbildung,
Fürsorge für Obdachlose (zum Beispiel der Nürnberger oder Erlanger
„Tafel“) und dergleichen mehr – Aktivitäten, die auf ihre
spezifische Art und Weise an den sozialen Netzwerken in der säkularen Stadt
mitbauen.
· Zum dritten leisten die Kirchen
einen Beitrag zur spirituellen Kompetenz von Menschen und Familien,
nachbarschaftlichen Milieus und Gemeinden. Man sollte gerade diese Art der Zuarbeit zum Leben und Überleben in der Stadt nicht gering
schätzen – die Ausbildung von ethischer Sensibilität etwa und
Verantwortung, die Erziehung zur Überwindung eigener Narzissmen
und Egoismen und zur Öffnung für das öffentliche Wohl und den Blick über den
privaten Tellerrand hinaus, die Grundlegung eines Verständnisses für die
Symbole und die Rituale, die Ideologien und die Liturgien des Lebens.
Letztlich dient der Beitrag der Kirchen zur Kultur der Stadt
- zusammenfassend gesagt – der Stadt als einem „Gesamtorganismus“, als einem
„Leib“, einem vielgliedrigen „Körper“ (R. Sennett) wie auch der Stadt als einem Ort geistigen und
geistlichen Lebens, sozusagen der Stadt und ihrer „Seele“. Denn
Menschen spüren sehr wohl, ob eine Stadt eine „Seele“ hat. Sie
wollen auf Dauer nur ungern und sie können auf Dauer nur ungut in Städten
leben, die gnadenlos, herzlos, seelenlos sind.
Zur Person:
Prof. Dipl.-Psych.
Dr. theol. Richard Riess, geboren 1937, hat in Neuendettelsau,
Heidelberg, Erlangen, Chicago und Boston sowohl Theologie wie Psychologie
studiert, eine klinisch-therapeutische Ausbildung in den Vereinigten Staaten
und in Deutschland absolviert und als Gemeindepfarrer in München-Nymphenburg,
als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Erlangen-Nürnberg, als
klinischer Seelsorger und Supervisor an den
Universitätskliniken Frankfurt/Main, als Dozent in der Pfarrerfortbildung und
als Professor für Praktische Theologie an der Augustana-Hochschule
in Neuendettelsau (von 1979 bis 2002) gearbeitet.
Er lebt und arbeitet seit seiner Emeritierung 2003 in Erlangen
und widmet sich gegenwärtig besonders der Beziehung der Theologie zu Medizin
und den Humanwissenschaften, zur zeitgenössischen Literatur, zur bildenden
Kunst und zur Spiritualität in der modernen Welt.
Aus der Vielzahl seiner Veröffentlichungen seien
exemplarisch genannt:
· Sehnsucht nach Leben.
Spannungsfelder, Sinnbilder und Spiritualität der Seelsorge.
Göttingen 1987
· (Hg.). Die verletzlichen Jahre.
Handbuch zur Beratung und Seelsorge an Kindern und
Jugendlichen. Gütersloh 1993
· (Hg.), In einem Wort.
Bekannte Autoren über Texte, die ihr Leben begleiten.
München 2004/2005
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Stand: 15. Juni 2005